18. - 22. November

22 november 2022 - Karas Region, Namibië

18. November
Auch nun noch eine kurze Ergänzung zu gestern:
Beim Pool traf ich als erstes das Deutsche Paar von der Wanderung, als zweites sah ich ein junges, modernes Paar, er in Adiletten. Das mussten doch Schweizer sein. Und so war es auch. Im Gespräch erzählte mir die Frau, dass sie seit über einem Jahr in Lüderitz leben und für Zeugen Jehovas unterwegs seien. Der Mann arbeite aber immer noch "im Home Office" für eine Schweizer Firma (Arbeitssicherung). Und da hat die Pandemie jemandem doch geholfen.... beim Abschied fragten sie mich, ob sie für mich Gepäck mitnehmen sollen. Dies war zwar gut gemeint, aber ich will mein Hab und Gut doch bei mir haben, weiss ich doch immer noch nicht, ob ich meinen geplanten Zielort auch erreiche.
Am Abend noch gekocht und das Vogelkonzert in den Bäumen genossen. Belohnung für die "Sänger" oder "Bettler" gabs dennoch nicht.

So, und dann ging es heute morgen vor 7 Uhr los. Nach gut 1 km Sand erreichte ich die Asfaltstrasse. Die "Downhillfahrt" nach Lüderitz konnte beginnen. Was wusste ich im voraus? 123 km Länge, 1400 Höhenmeter bis ans Meer hinunter entlang der Eisenbahnlinie (Strecke  Keetmanshoop - Lüderitz), zunehmender Wind und eine Durchquerung der Wüste durch das sogenannte Sperrgebiet. Das hiess, ich durfte die Strasse nicht verlassen, was mir auch nicht so schwer fiel bei diesem Sand links und rechts.
Die Geschwindigkeit entwickelte sich etwa folgendermassen: 55 - 35 - 25 - 15 - 4 - 0 - 60.
Diese Entwicklung hatte zu Beginn mit dem Gelände zu tun, am Schluss aber mit dem Wind, resp Sandsturm.
Die Weite, die wechselnden Farben, die 3 verlassenen Bahnstationen in der Pampa machten meine Fahrt wieder sehr abwechslungsreich. Das Schweizer Paar hatte mich gestern noch gewarnt: "die letzten 20 km sind fast nicht zu fahren". Sie sollten Recht behalten. Nach der Mittagspause (noch geschützt) "stürzte" ich mich in den Sturm. Es wehte ein heftiger Seitenwind, der mich immer wieder auf die Fahrbahn blies. Dann halt etwas zu Fuss weiter (Erinnerungen an die Route 66 im April wurden wach). Meine Beine wurden gesandstrahlt, später kam der Sand bei mir aus allen Löchern. Es hatte wie immer wenig Verkehr, ich hörte aber wegen des Windes sowieso nichts. Nach kurzer Zeit stoppte ein Pick-up Auto (es kam mir eigentlich von vorne entgegen, drehte aber um), der Fahrer bot mir an, mich die restlichen 18 km nach Lüderitz zu fahren. Er war eigentlich zur Wasserpumpstation unterwegs, aber er fand es wichtiger, mich zuerst sicher in die Stadt zu bringen. Nette Geste! Ich nahm dankend an und habe somit meinen ersten Joker eingelöst 
Beim Touristenbüro holte ich mir bei Marjon einige Infos über den Besuch in der Ghost Town Kolmanskop, die Unterkünfte hier in Lüderitz, sowie Transportmöglichkeiten zurück nach Aus (das wird kein Joker, sondern war in meiner Planung :) ). Marjon ist von deutscher Abstammung, wurde hier geboren, und laut meinem Reiseführer beherrscht sie den Tourismus in Lüderitz...wie z.B. die Logistik bei Ankunft der Kreuzfahrtschiffe (ca. 1x die Woche von Kapstadt). Plötzlich bot sie mir an, bei ihr die Nächte zu verbringen, zum gleichen Preis wie in den Hostels. Wir sprachen ab, dass ich vor Schliessungszeit des Büros um 17 Uhr zurückkommen würde.
In der Zwischenzeit fuhr ich zur Waterfront und genoss einen herrlichen Lunch. Ich wurde von einer 6-er Gruppe Deutscher Touristen "überfallen": Einer schrie durchs ganze Restaurant, "da ist ein Radfahrer aus der Schweiz" (Fähnli sei Dank). Wie eine Schülerin hob ich die Hand und antwortete "das bin ich....". Darauf "bombardierten" sie mich mit Fragen und einer erzählte, dass er bei einer Bank in Thun, die "bankrott" ging (Spar- und Leihkasse), Geld angelegt hätte. Super für ihn. Von ihnen erfuhr ich, dass sie nach Südafrika zum Golfen unterwegs waren.
Beim Weggehen wünschte ich einem Paar aus Luzern noch "e Guete", sie hörten der Unterhaltung vorher zu......
Zurück beim Touribüro keine Marjon, auch keine Reaktion auf mein SMS. Dann halt zur vorgesehenen "Backpackers Lodge".
Bei der Klingel stand:"Please ring and wait 5 minutes". Wo diese Leute wohl wohnen? Tatsächlich erschien später im Auto die Hausherrin. Sie teilte mir mit, dass das Hostel die nächsten zwei Nächte durch eine Gruppe "locals" besetzt sei. Ich wusste aber, dass man im Garten auch zelten konnte. Da musste sie zuerst Rücksprache mit Hannes (auch deutscher Abstammung) nehmen. Kurz darauf erschien auch er mit dem Auto und zeigte mir das Haus (das im Moment noch völlig leer war) und den Garten. Der Platz fürs Zelt sah mehr aus wie ein Sandkasten, aber für mich war alles in Ordnung.
Was sich dann aber als grösste Herausforderung herausstellte, war die Platzgrösse (ich nahm Blumentöpfe, um die Zeltschnüre zu befestigen), der tiefe Sand (die Heringe versanken darin wie in weicher Butter) und vor allem der Wind (ich würde es "Unterdruckwind" nennen, da das Zelt immer wieder "aufgeblasen" wurde). Schlussendlich stand es, nach dem kurzen Abstecher ins Haus lag es wieder darnieder, und die Heringe konnte ich im Garten zusammensuchen..das wird nichts und Hannes hatte es wahrscheinlich vorausgeahnt. Er hatte mir nämlich bei der Besichtigung in der geschlossenen Veranda einen Liegeplatz angewiesen, den ich im Notfall benutzen durfte. Alles klar? Zusammenräumen und ins Haus zügeln.

(Ich merke gerade, dass ich viel schreibe....aber es ist ja eigentlich das Tage-/Fotobuch).

Später lernte ich Elizabeth und Reginald aus Rosh Pinah kennen. Sie sind um die 50 Jahre alt und haben drei erwachsene Kinder. Von ihnen bekam ich all die Informationen über die Minen und das Leben in Rosh Pinah, was mir die Herrengruppe nicht geben konnten. Es war höchst interessant für mich, deshalb schrieb ich mir einige Dinge auf (für eine eventuelle Präsentation, man weiss ja nie). Beeindruckend sicher, dass die Mine in der Stadt (es gibt eine neue ausserhalb, die wegen Fahrlässigkeiten zur Zeit stillsteht) 450 Stockwerke tief ist. Die Arbeiter haben Schichtdienst: 12/7. D.h. 12 Stunden 7 Tage hintereinander, dann eine Woche frei. Regelmässig haben sie ärztliche Kontrollen, und wenn irgend etwas nicht gut ist, erhalten sie bezahlten Urlaub, bis sie wieder fit sind. Nach der Pensionierung erhalten sie ihr Pensionskassengeld. Die Leute bestimmen selber, welchen Betrag sie monatlich ausbezahlt haben wollen. Das tönt doch gar nicht so übel. Reginald arbeitet seit 2009 in der Mine. Er besuchte für einige Tage seine Frau Elizabeth hier in Lüderitz. Sie absolviert ein 6 wöchiges Praktikum an der Montessorischule. Sie findet, dass die Kinder in den öffentlichen Schulen nicht erzogen und ausgebildet werden...
Später am Abend kam auch die Gruppe "locals" an und wieder fand ich es sehr spannend: es war die Lehrerinnengruppe aus Aussenkehr (ihr erinnert euch: das Rebengebiet mit den armseligen Häusern), ergänzt durch 5 junge Deutschen, die für 3 Monate an der Schule Frewilligersarbeiten verrichten. Auch sie konnten mir meine Fragen noch beantworten: während der Hauptsaison leben bis zu 30 000 Menschen in diesen armseligen Hütten ohne Wasser, Toilette und Elektrizität. Nach meinen bisherigen Recherchen kaufte 1988 ein Serbe eine kleine Farm und hat das ganze Tal des Oranjeflusses zu einem Rebengebiet ausgebaut. Die Trauben werden als Esstrauben vorallem nach Europa verschifft. Ich denke, dass hier die Menschen unter miserablen Bedingungen arbeiten und leben. Die Leute bestätigten mir, dass die wenigsten Kinder motiviert seien und keine Perspektiven hätten. Der Besitzer hätte zwar bessere Lebensbedingungen versprochen, aber noch nicht umgesetzt. Wird verfolgt....
Vier der fünf Deutschen werde ich am 22.12. wiedersehen. Wir haben gemerkt, dass wir mit dem gleichen Flugzeug heimwärts fliegen.

19. November
Der Hauptgrund, um den Abstecher nach Lüderitz zu machen, war der Besuch der ehemaligen Diamantenstadt Kolmanskop, 11 km von der Stadt entfernt. Hier wurden 1908 die ersten glitzernden Steine gefunden und es entstand eine Deutsche Stadt mit dem gesamten Luxus. Nachdem einige Jahrzehnte später südlicher bei Oranjemund grössere Gebiete gefunden wurden, "erlöschte" der Boom und 1956 verliessen die letzten Leute den Ort. Von da an waren es immer "Silent Nights" (und nicht nur das Lied, welches im Restaurant gerade spielte) war eine sehr spannende Führung, back in the history. Ich verstand aber, dass die einheimischen Lehrerinnen den Ort nicht mochten und sich die Anlage nicht anschauten.
Nach der Führung schaute ich mir nochmals alles in Ruhe an. Dann ging es auf "Rücktransportfrage", Hannes hatte mich hinchauffiert. Das Velo blieb "zuhause", es war wieder Sturm angesagt.
Zuerst fragte ich den Personal Guide eines jungen Deutschen Paares. Er meinte, er fahre in die andere Richtung und seine beiden Gäste würden für die nächsten 300 km schlafen....die bekommen nicht viel mit...
Ein anderes Paar nahm mich dann mit. Nach dem Lunch machte ich mich zu Fuss auf eine City-/Fototour.
Den Abend verbrachte ich im Hostel. "Leider" wurde ich nicht wie die Lehrerinnengruppe an die "Sport Awards 2022" eingeladen. Hätte mir sicher besser gefallen als den Deutschen, die Lehrerinnen aus Aussenkehr fanden es super.

20. November
Nach dem Morgenessen ging ich kurz einkaufen, die beiden Supermärkte würden um 13 Uhr schliessen (übrigens sind alle Restaurants am Sonntag  auch geschlossen).
Trotz des Windes packte ich mein Velo und machte mich auf den Weg zum Diaz Point. Dort erreichte 1487 der Portugiesische Segler Bartolomeu Diaz als erster Europäer das Land. Nach 1.5 Stunden hatte ich satte 9,6 km auf dem Tacho, noch nicht ganz die Hälfte. Ein kurzer Blick auf die Karte: Kurve = Seitenwind wird Rückenwind. Also weiter. Beim Endpunkt ein wenig rumschauen, Kaffee trinken und dann musste ich die 10,4 km bis zur Kurve wieder zurück. Ich war schnell unterwegs....zu Fuss! Keine Chance zum Fahren, aber hatte ja Zeit. In der zweitletzten Bucht vor Lüderitz plötzlich Autos und Surfbretter. Da musste ich stoppen! Ein junger Südafrikaner klärte mich auf: hier finden während 4 Wochen die Speed Surf Weltmeisterschaften statt. D.h. die Surfer versuchen in einem 500 m langen (künstlich durch einen Bagger ausgegraben) Kanal die Höchstgeschwindigkeiten zu erreichen. Aus welchen Ländern nehmen die Sportler teil? Südafrika, Hawaii, Deutschland, Holland und....Schweiz. Ja, und der Raphi aus Luzern (lebt jetzt in Ungarn und Südafrika) ist der Organisator dieses Events. Wir plauderten ein bisschen, dann fuhr ich zurück.
Unterdessen organisierte die Haushälterin meine Busfahrt für morgen nach Aus: zwischen 6 und 7 Uhr werde mich der Minivan bei der Unterkunft abholen. Das ist Service!

21. November
Tagwache um 5.15 Uhr. Ich wollte oder sollte um 6 Uhr bereit sein. Rund halb Sieben tutterte es draussen. Die beiden "Jungs" hatten nicht zum ersten Mal ein Velo aufgeladen, das ging zackig und sicher. Dann im Ort noch zwei weitere Personen aufladen, tanken und beim Verlassen der Stadt parkierte der Fahrer kurz am Strassenrand und.....es wurde gebetet.
Die 122 km Fahrt in etwas mehr als einer Stunde, wofür ich vor drei Tagen einige Stunden brauchte. Ich realisierte einmal mehr, wieviel man im Auto verpasst.....
So konnte meine "Reise" weitergehen.
Nach 7 km verliess ich die Asfaltstrasse Richtung Norden (Helmeringhausen) auf der C13. Die ersten 10 km waren schwierig: viel Sand, unberechenbar zum "Versaufen". Zudem war eine ganz besondere "Wetterstimmung": dunkle Wolken, ab und zu Regentropfen und richtig kühl. Zum ersten Mal trug ich meinen Fleece-Buffy und oft auch meine leichte Regenjacke. Trotzdem erreichte ich nach gut 70 km den Tiras-Camping. Dies bedeutete, 800 m Velo auf der Sandpiste zur Reception schieben, ein Kaffeekränzli mit der vertretenden Leiterin (ich wusste bereits von Hannes, dass die Besitzerin, Frau Koch, zur Zeit in Kapstadt beide Kniegelenke ersetzen muss... ihr seht, man kennt sich hier) und dann 800 m zurück zur Hauptstrasse und auf der anderen Seite nochmals ca 400 m durch den Sand schieben...aber: was für ein superschöner Platz! Es hat nur 2 Stellplätze, den Panoramaplatz in den Felsen "gehörte" den beiden Deutschen Frauen, die ich gestern schon bei Diaz Point gesehen habe (ihr seht, man kennt sich...).
Da es wieder zu regnen anfing, entschied ich mich, mein Zelt beim (halb gedeckten) Picknickplatz aufzustellen. Es wurde wieder etwas sandig, aber dieses Mal blieb das Zelt stehen. Dann schnell Abendessen kochen (es regnete immer noch), alles Gepäck im privaten Duschraum deponieren, heisse Dusche und schlussendlich (mit Mütze) ab ins Bett.

22. November
Heute wieder Sonnenschein und ein traumhafter Morgen. Ich startete erst um 8 Uhr, da es bis Helmeringhausen nur etwa 45 km sein werden. Heute endlich wieder einmal etwas Tiere gesehen: Schakale (?) zu Beginn, später sagte mir eine Schildkröte "guten Tag". Zudem passierte ich einige Rinderfarmen auf dieser herrlichen Fahrt.
Zur Mittagszeit erreichte ich den "Ort" Helmeringhausen: Laden, Tankstelle, Museum und Hotel (mit Camping).
Hier kam ich ins Gespräch mit Rita und Heimo aus Wien.
Heute wieder mal das Zelt auf dem Rasen aufgestellt.
Dann kurz ein paar Einkäufe im Laden, musste auch Zündhölzchen kaufen, dachte, ich probiere es mal auf Holländisch. War nicht so gut, "lucifers" auf Africaans bedeutet "Teufel".
So, das ist es für heute.

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