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8 juni 2022 - Island Park, Idaho, Verenigde Staten

Hallo zäme,

schon wieder mehr als eine Woche, und ich bin ein paar Hundert Kilometer weiter.

30. Mai 2022

Ein Blick nach draussen: Sonnenschein und Wind. Dann halt noch die Thermosflasche mit heissem Tee füllen. Auf meiner heutigen Strecke hat es genau einen Ort (Opal), nach Google Maps aber ohne Restaurant oder Tankstelle.  Als ich nach draussen gehe, bemerke ich, dass der Wind nicht nur aus der falschen Richtung kommt, sondern auch noch eisig kalt ist.  Das bedeutet: vier Lagen Kleider, Handschuhe, dickere Socken. 

Der Verkehr hält sich zum Glück in Grenzen, meistens Lastwagen mit Anhänger. Die Landschaft ist sehr weitläufig und ich sehe "Hunderte" von Tanks entlang der Strasse. Erdgas? Ja, wird mir später bestätigt.

In Opal dann ein deutliches Schild "No Services", so picknicke ich beim Town Park und fahre sofort weiter, weil die Temperaturen noch immer nicht für eine Siesta einladen.

In Kemmerer gehe ich auf die Suche nach einer Unterkunft, und die Frau bei der Tankstelle ist sehr hilfsbereit. Sie nimmt das Telefonbuch zur Hand und kontaktiert 3 verschiedene Motels. Beim letzten dann folgendes Gespräch:" Hi, I have here a pedal biker. She is looking for a room."......."Do you have a pet?" (als ob ich einen Kanarienvogel oder so auf meinem Gepäckträger mitführen würde) "No"...... "Do you smoke?"  "No".... das wird eine etwas komplizierte Angelegenheit, aber ich sehne mich nach einer warmen Dusche. Beim Motel angekommen, werde ich vom Chef empfangen, V.J. Er hat wahrscheinlich schon  lange keine Gäste gehabt, ich muss noch einige Zeit auf meine Dusche warten, bis er mir seine Lebensgeschichte und -philosophien erzählt hat. Und vielleicht hätte ich ihm nicht sagen sollen, dass ich Lehrerin bin, sein Sohn ist auch Lehrer...usw. Anyway, ich komme dann doch noch zu meiner Dusche und darf das Velo DOCH ins Zimmer nehmen. Und ja, ich werde ihnen eine Ansichtskarte mit Eiger, Mönch und Jungfrau senden, wenn ich zuhause bin! 

31. Mai 2022

Auch heute ist es kalt, aber es gibt zwei grosse Unterschiede zu gestern: Der Wind hat gedreht und es regnet auf den ersten 77 km, zum Teil heftig. So wird es bis Laketown eine Fahrt ohne Fotostopps. Für mich heisst es, in die Pedale treten, um warm zu bleiben. Dank dem Rückenwind komme ich aber super gut vorwärts. An den überschwemmten Feldern und dem Restschnee am Strassenrand kann ich entnehmen, dass das Wetter in den letzten Tagen nicht wirklich besser gewesen ist.

Kurz vor Laketown stoppt ein Auto und das Ehepaar fragt nach meinem Befinden. Die beiden haben mich etwa 10 Minuten vorher überholt und haben also extra umgedreht für mich, sehr nett. Ich bin aber gut eingepackt und Laketown (und das Restaurant zum Aufwärmen. dachte ich) ist nicht mehr weit.

Die letzten 8 Kilometer bis in den Ort dann eine Abfahrt, die ich wegen der zunehmenden Kälte nicht richtig geniessen kann. Kurz vor dem Ort öffnet sich vor mir eine völlig andere Landschaft, ein weites Tal, ein See, grüne Felder (warum sie diese nach diesen Niederschlägen noch bewässern, ist mir zwar ein Rätsel), schöne Häuser. Das ist mein erster Eindruck von Idaho!

Das Restaurant ist dann ein Take Away, ich darf mich aber im Laden nebenan etwas aufwärmen. Ich komme ins Gespräch mit einem Familienvater aus Washington, der morgen mit seinen beiden Kindern (Anhänger/Trailer) eine Velotour startet. Er bietet mir an, in seinem Cabin zu übernachten. Leider liegt dieses an der andern Seite des Bear Lakes. Ein weiterer Grund, dass ich auf der Westseite fahren will, ist, dass ich unbedingt meine Bremsen nachstellen muss. Beide Griffe berühren mittlerweile beim Bremsen den Lenker.

Und plötzlich kommt...... doch noch die Sonne. So wird die Fahrt zum Campingplatz eine ganz angenehme Sache. Weniger angenehm wird es dann, als mir die Frau den Preis für eine Nacht sagt: "$100.-"... die spinnen doch. Ich sage es nicht ganz so, aber nach einigem Hin und Her darf ich für $50.- mein Zelt aufstellen. 

Nach diesem Sauwettertag kann ich mich dann zur Entschädigung im Hot Tub sehr gut entspannen!

1. Juni 2022

Meine heutige Fahrt führt mich entlang des Bear Lakes. Es ist eine sehr angenehme, einfache Fahrt: es ist flach, die Sonne scheint und es hat zum Teil Radwege, zudem hat mir ein Mitarbeiter eines KOA-Campings noch gratis die Bremsen nachgestellt, MERCI!

Etwas erstaunt bin ich über die Ortsnamen, Paris (mit einer riesigen Mormonenkirche) und meinem Endziel Montpelier (ist sicher von Montpellier abgeleitet). Gestern habe ich aber zufällig noch einen anderen Namen auf Google Maps entdeckt: Bern. Da muss ich hin und es ist nur ein kleiner Umweg. Schaut die Fotos an! Vor allem die Ortstafel, "original" Schweizerisch und die Namen auf dem Friedhof (90% Kunz, Schmid, Buehler, Boss, Dubach, Bärfuss, Eschler, Stalder, Alemann, Bienz) zeigen, wer hierher gekommen ist. Leider sehe ich keine Leute im Ort selber, um noch mehr Infos zu erhalten.

In Montpelier dann noch einen weiteren Schweizer Namen: die Frau im Laden, wo ich den Zeltplatz bezahlen muss, nennt mir den Namen ihrer Grossmutter: Bartlome.

Irgend etwas ist anders in Idaho und nach diesem Tag komme ich dahinter: es ist alles viel gepflegter und die Leute haben nicht so ein "Puff" ums Haus. Überall riecht es zudem nach frisch gemähtem Rasen. Ob dies mit der Herkunft der Leute zu tun hat?

2. Juni 2022

Zum Morgenessen bringt mir die Nachbarin einen Kaffee und wir reden eine Weile, bevor ich losfahre. Mein erstes Ziel ist Soda Springs. Ich habe gesehen, dass es einen Geysir hat. Es handelt sich um einen "gefangenen" Geysir, d.h. er hat keinen natürlichen Ausgang. Zu jeder vollen Stunde öffnet sich ein Ventil, um das heisse Wasser abzulassen. Ich komme rechtzeitig an und kann das 9 minütige Spektakel miterleben. 

Nach einem feinen Mexikanischen Essen (schon wieder Mexikanisch) geht es weiter Richtung Blackfoot Reservoir.

Dieses Gebiet ist vollgespickt mit Minen und mich nimmt dann immer Wunder, welche Rohstoffe sie aus dem Boden holen. Zufällig treffe ich auf einem Mann, der für diese Minen arbeitet und er kann mir meine Frage beantworten: es sind Phosphor- (Eigentümer Bayer), Schwefel- und ehemalige Goldminen.

Meinen heutigen Zeltplatz (inklusive Café) finde ich direkt beim Reservoir.

3. Juni 2022

Heute eine sehr abwechslungsreiche Fahrt nach Alpine (Wyoming). Nach einigen Anstiegen und einer Fahrt entlang des Grays Lake (wo mich die Mücken fast auffressen) komme ich in Wayan an, ein ehemaliger Ort der Goldsucher. Danach nochmals in die kleinen Gänge schalten, bevor die Fahrt entlang des Tincup Creeks beginnt. Schwierig, diese Fahrt in Worte zu fassen, es hett eifach gfägt!

Nach 60 km erreiche ich das Star Valley, wo auch Alpine liegt. Google Maps zeigt mir einen Weg an, der parallel zum Highway führt, finde ich gut. Nicht mehr gut finde ich es dann, als ich vor einem Gitter stehe mit der Aufschrift: "Private Property", und wieder umkehren muss. 

Schlussendlich komme ich (natürlich) doch in Alpine an. Die Frau beim Tourist Center empfiehlt mir einen Zeltplatz, und das ist eine gute Sache. Am Abend spielt noch eine Ein-Mann-Band und so verzichte ich auf das Kochen und genehmige mir ein ungesundes Menu (es ist nicht das erste und wird nicht das letzte sein.....).

4./5. Juni 2022

Der Wetterbericht für die nächsten beiden Tage ist nicht rosig. So entschliesse ich mich, heute bis Driggs zu fahren, und morgen einen Ruhetag einzulegen (oder wie man dem sagt).

Die Fahrt entlang des Palisade Reservoirs erinnert mich an die Fahrten entlang der Fjorde in Norwegen. Man denkt, es geht einfach flach entlang eines Sees, und dabei geht es ständig hinauf und hinunter. 

In Stan Valley komme ich zur richtigen Zeit an, das Restaurant öffnet gerade zur Mittagszeit. Heute dann etwas gesünder: Suppe, Tee und Caesar Salad. Nach dieser Stärkung nehme ich den Pine Creek Pass in Angriff. Etwa 5 km vor der Passhöhe wechsle ich dann ins Regentenue und erhalte kurz darauf meine erste Dusche. Die richtige "Badewanne" kommt dann aber nach der Ankunft in Victor, gespickt mit Blitz und Donner. Es ist erst nach 4 Uhr, aber es ist rabenschwarz und beinahe stockdunkel. Das positive ist, dass ich von Victor an auf einem Radweg fahren kann. Ausser einer ebenfalls plotschnassen Joggerin treffe ich auf den nächsten 12 km bis Driggs niemanden. Warum auch?

Auf die Unterkunft für die nächsten zwei Nächte bin ich zufällig gestossen: Teton Hostel, Besitzerin Beth...Durtschi. Als ich ihre Geschichte gelesen habe, dachte, da muss ich hin. Vorfahren aus Wimmis/Faulensee. Ich werde nicht enttäuscht! Und ich bin froh, dass ich hier an der Wärme noch einen weiteren Tag verbringen kann.

Alle anderen Gäste des Hostels sind Jogger. Sie haben den Teton Halbmarathon gelaufen und einige werden am nächsten Wochenende den Yellowstone Halbmarathon laufen. Es ist eine lustige und interessante Truppe, jeder mit seiner Geschichte.

6. Juni 2022

Wenn man einen Tag nichts macht, hat man Zeit, die folgenden Etappen etwas zu studieren. Und wieder finde ich etwas per Zufall: es gibt nämlich eine Veloroute "Ashton-Tetonia-Rail-Trail", etwas so wie in Spanien die "Via Verde": ehemalige Eisenbahnlinien, die zu Radwegen umgebaut sind. Für mich ist schnell klar, dass ich dieser Route folgen werde, da sie ja an das gleiche Ziel führt.

Nach dem Einkaufen ist das Finden des Startes etwas schwierig (muss dann das Velo irgendwo über das Feld stossen). In Tetonia begegne ich der ersten Tourenfahrerin, Chandler. Sie spricht mich an: "Are you from Switzerland?" Da haben wir es wieder..... sie ist vor einigen Tagen in Blackfoot Reservoir auf dem gleichen Zeltplatz gewesen und die Besitzerin hat von mir erzählt. Zuerst wollen wir gemeinsam den Trail fahren. Ihr Rad hat keine Off-Road Pneus, deshalb will Chandler auf der Hauptstrasse weiterfahren. Wir sprechen uns auf dem Zeltplatz in Warm River ab.

Dieser Trail von knapp 50 km ist dann der Hammer! Da es eben eine ehemalige Eisenbahnlinie ist, ist es nie steil und man ist oft vom (wieder mal immer stärker werdenden) Seitenwind geschützt. Zudem hat es drei Brücken, so dass man kein Hinunter-Hinauf beim Überqueren der Flüsse hat. Für 10 km wähle ich dann doch die Hauptstrasse, bin aber froh, wieder auf den Trail zurückgehen zu können.

Beim Camping dann keine Spur von Chandler. Ob alles gut gegangen ist? Der Camping liegt direkt am Warm River, das verspricht doch einiges. Zum Waschen ist das Wasser "warm" genug, aber sonst..... Dass das Wetter auch hier in den vergangenen Tagen nicht optimal gewesen ist, zeigt sich daran, dass der Zeltnachbar auch nach einer Stunde kein Feuer zustande bringt....

Und: seit Jahren wieder mal mein Gepäck im Bear-Locker aufbewahrt!

7. Juni 2022

Die Camphosterin empfiehlt mir, den Trail entlang des Flusses zu nehmen anstatt die Hauptstrasse, es sei weniger steil und kürzer. Und: "Make noise because of the bears". Dann das Bärenglöggeli doch direkt in die Hände nehmen". Und ich merke, dass dieser Trail wieder eine ehemalige Eisenbahnlinie ist. Ich bin sehr konzentriert und schaue auf alles, was sich bewegt. Bären sehe ich keinen, aber einen Hirsch, der vor mir davon rennt.

Nach 5 km erreiche ich die Hauptstrasse und nach weiteren 7 km die Abzweigung zum Upper Mesa Fall, ein wunderschöner Wasserfall!

Die restliche Fahrt auf diesem Scenic Byway geniesse ich sehr, schaue aber immer noch nach links und rechts.......

Kurz nach Erreichen des HW 20 nach Island Park treffe ich wieder auf Chandler. Sie hat den Haupthighway gewählt. Wir lunchen zusammen, bevor ich hier in die Library komme.

Jetzt noch die Fotos hochladen (funktioniert im Moment nicht :( ) und dann geht's auf den Camping.

Liebi Grüess Karin

P.S. Mein Knie hat sich mittlerweile von der Regenfahrt auch wieder erholt. Es friert, genau so wie ich, einfach nicht gerne.

Foto’s