10. Juni - 16. Juni

17 juni 2023 - Riggins, Idaho, Verenigde Staten

Es geht weiter...die Zeit rast, schon vier Wochen unterwegs

10. Juni
Nach einer wiederum herrlichen Nacht in meinem kleinen Zuhause war ich bereit für die heutige Etappe. Ich habe zwei Tage geplant, um nach Stanley zu fahren. "Irgendwo" dazwischen werde ich den 2654 m.ü.M. hohen Galena Summit überqueren (den spare ich mir aber für morgen auf).
Die ersten 27 km nach Ketchum/Sun Valley (erster Sessellift weltweit) konnte ich auf dem geteerten Radweg fahren. Im Winter wird er als Langlaufloipe benutzt (das kenne ich doch von Slowenien). Diese Strecke ist eine sogenannte "Rails to Trails" Route. D.h. die alte Eisenbahnstrecke wurde umfunktioniert. Gute Sache! Es hatte allerhand Leute, die den Trail benutzten. Eigentlich alle, ausser die älteren Herren mit strammen Waden auf ihren Rennvelos, hatten auch Zeit zum Grüssen.
Ich hatte keine Ahnung, dass Ketchum/Sunvalley wie Aspen ist: ein Ort, wo die Reichen und noch Reicheren eine ihrer Häuser haben: Google gab mir Namen wie Arnold S, Demi M, Bruce W, Tom H, Clint E usw. an. Google Don ergänzte noch Marc Zuckerberg und früher Ernest H.
Ja, viele grosse Häuser sah ich schon, aber die Briefkästen waren nicht angeschrieben.😉
Nach einem Kaffee- und Einkaufstop ging es weiter; es regnete ja NOCH nicht. Nach ein paar Kilometer hätte ich wieder auf einen Radweg, den Harriman Trail ausweichen können. Dieser ist aber nicht asfaltiert, sondern "tief kiesig". Dann doch auf der Hauptstrasse bleiben. Bei Regen erreichte ich den Easley Campground bei den gleichnamigen Hot Springs. Ich füllte das "Self Deposit User Fee Permit" aus, legte die $20.- ins Couvert und fixierte den Zahlungsabschnitt beim Site 5. Es wurde darauf hingewiesen, dass man alle Lebensmittel wegen den Bären im Auto aufbewahren muss. Schnell hatte ich jemanden gefunden, bei denen ich später am Abend meine Taschen abgeben könne.
Da es regnete, ging ich mit allem Gepäck zu den Hot Springs, lieh mir ein Badekleid (passte wunderbar) aus, bezahlte den Seniorpreis (ab 55 Jahren!) und liess mir in den zwei heissen Pools die Haut so richtig aufweichen, bis sie schrumpelte. Ihr kennt das.... in der Zwischenzeit zeigte sich auch die Sonne wieder. Ich ging zum Zeltplatz zurück, um alles einzurichten. Aber: ein Paar hatte in der Zwischenzeit meinen Platz besetzt....zuerst etwas Ausreden, dass sie auf meinem Zettel die Daten nicht lesen konnten. Der Mann hatte meinen Zettel noch im Auto. Ich war nicht ganz unschuldig, weil ich 10/6 statt 6/10 geschrieben habe. Auf der andern Seite machte es ja überhaupt keinen Sinn, dass jemand vom 6. Oktober bis 6. November (dann ist der Zeltplatz längst zu) bleiben wollte. Wir einigten uns dann darauf, den Platz zu teilen. Wir hatten ja doppelt bezahlt, und es hatte eigentlich auch keinen andern guten Platz.
Später kamen der Ranger und seine Frau die Toiletten putzen. Ich ergriff die günstige Gelegenheit und erzählte vom Missgeschick. Der Ranger meinte, sie würden die Box mit dem Geld nur am Freitag leeren (heute ist Samstag) und er könne nichts machen. Ich bin mir sicher, dass seine Frau ihn umgestimmt hatte: 10 Minuten später fuhr der Pick Up zum Site 5, die Frau schwenkte ein weisses Couvert mit meinem Geld darin in der Luft und rief: "We've got it!"
Monty und Stacey (mit Hund Agassi) wollten nichts davon wissen, dass ich ihnen die Hälfte dieses Geldes zurückzahle und so kam ich schlussendlich zu einer (weiteren) Gratisübernachtung. Und mein ganzes Gepäck übernachtete in ihrem Pick Up.
Später kam ich mit einer Frau auf dem Camping ins Gespräch. Sie hörte an meinem Englisch, dass ich nicht "einheimisch" bin. Als sie "Swiss" hörte, sprang sie auf und sagte: "My father is Swiss, he passed away. But my husband and I have 40th anniversary. So we are visiting Switzerland in August with our four kids." Da wollte ich natürlich wissen, wo sie Familie haben, die sie besuchen werden. Sie musste etwas überlegen: "Spiez". Da bekam ich etwas Hühnerhaut... wir haben kurz Name und Tel.nummern ausgetauscht. Ihr Vater hiess Ritter. Irgendwen kenne ich sicher noch...wird verfolgt.

11. Juni
Heute machte ich mir mein eigenes Geburigeschenk mit einer wunderschönen Fahrt von Easley Hot Springs über den Galena Summit nach Stanley. Die Fotos sagen mehr als meine Worte.
Bei der Smiley Creek Lodge machte ich meinen Lunchstop. Die Teller der andern Gäste waren wieder "Amerikanisch" voll. Die junge Frau an der Theke meinte, sie hätten auch "Kids Menu". Genau das richtige für eine fast 61-jährige🤭. Beim Bezahlen gab sie mir noch einen Rabatt, mit der Bemerkung: "You are looking like a nice person" und ich durfte mir noch einen Buffy von der Lodge aussuchen.
In der Regenmontur ging es für die restlichen 40 km mit Rückenwind Richtung Stanley. Vor 362 Tagen wurde ich dort von einem Schneesturm empfangen, heute konnte ich auf den letzten 10 km sogar wieder die Sonne sehen. Stanley, Population 63, stand auf der Tafel. Ein spezieller Ort. Heute ein Zimmer gebucht und gleich im Restaurant noch ein feines Znacht gegessen. Zur Feier von morgen....

12. Juni (60 + 1)
Schon vor dem Morgenessen wurde für mich am Telefon gesungen. Beim Morgenessen kam ich ins Gespräch mit einem Ehepaar aus Boise, mit einem Zweitwohnsitz in Ketchum. Sie hatten auch etwas zum Feiern: vor 40 Jahren hatten sie in Stanley geheiratet, und seitdem kommen sie jedes Jahr zurück. Sie wollten mich einige Tage nach Ketchum einladen. Dies lehnte ich aber dankend ab. Als ich dann endlich losfahren konnte (es war schon nach 10 Uhr, normalerweise starte ich vor halb Neun), traf ich die junge Frau, die gestern neben mir im Restaurant sass. Wieder tratschen...sie erinnerte mich so an eine Lehrerkollegin in Wattenwil.
Die heutige Etappe sollte von der Route her genau die gleiche werden wie diejenige vom 15.6.22. Ich hatte zwar eine Offroad-Variante im Kopf. Mein Vorgefühl liess mich aber nicht im Stich: die Strasse hatte noch Wintersperre (wieder ein Grund, um nach Stanley zurückzukommen).  Es ist schon eigenartig, welche Abschnitte  in meinem Gedächtnis verankert waren und was sich doch anders "anfühlte"; z.B. der Anstieg zum Banner Summit empfand ich dieses Mal viel einfacher und kürzer. Dafür war die Abfahrt länger, als ich dachte. Einmal musste ich eine Vollbremse machen: ich sah zwei schwarze Gestalten am Strassenrand: zwei Studenten aus Groningen, Holland, die mit den Velos von Portland nach Washington DC fahren. Und jetzt kommt's: es ist ihr Praktikum während der Studienzeit (hatte vergessen zu fragen, was sie studieren)! Ihr Auftrag ist, diese Reise in Form von zwei Büchern zu dokumentieren. Ihre Ausrüstung war topneu (Gravelbikes, Taschen etc.), aber ob sie mit diesen Übersetzungen den Teton Pass rauffahren könnten, bezweifle ich. Habe die Bücher bestellt!
Weiter ging es dem Payette River entlang.  Nach meinem Zmittag/Zvieri begann es wieder zu "Schütten", laut Regenradar auch noch die nächsten drei Stunden. Nach einer Stunde im Restaurant hatte ich genug, zog die Regenkleider an und fuhr los. Letztes Jahr hatte ich beim Camping "Haven Hot Springs" übernachtet. Es nahm mich wunder, ob die Leute seit dem Übernahme letztes Jahr etwas aus der Unordnung gemacht hatten. Die Antwort lautet: " Nicht wirklich", aber sie erkannten mich sofort wieder (böser Gedanke: vielleicht hatten sie nicht viel Gäste letztes Jahr). Sie machten mir einen Tee, gaben mir Spare Ribs und offerierten mir gratis ein Motelzimmer mit eigenem Hot Tub. Da das Zimmer eigentlich noch nicht für die nächsten Gäste bereit war, schlief ich im eigenen Schlafsack. Ganz einfach! Als ich im Hot Tub lag, zeigte sich sogar wieder die Sonne. Mit einem Bier schloss ich meinen Geburi ab.

13. Juni
Alle Kleider waren nach gestern trocken, die Powerbank aufgeladen. Ich konnte weiterfahren.
Die ersten 61 km nach Lowman-Garden Valley-Junction Hw 55 auch wieder ein Déjà-vu vom letzten Jahr, also viele Erkennungspunkte.
Dann war aber Schluss. Ich bog nämlich heute nach rechts, Richtung Norden, ab. Und von jetzt an ist ALLES Neuland!
Auf den letzten 15 km bis hierher zum Camping hatte es viel Verkehr, hoffe, das ändert sich wieder.
Es änderte sich gestern noch etwas. Ich kam mir auf diesem "Urwald-Camping" etwas verloren vor und wusste auch nicht recht, wo ich meine Taschen bärensicher deponieren konnte. Eine Idee war auf dem Dach des Toilettengebäudes... plötzlich kam mir in den Sinn, dass man auf dem "Swinging Bridge CG" (war an ihm vorbeigefahren; dieser gehörte auch zu den National Forest CG) beim Camphost Brennholz kaufen könne. Am Holz war ich nicht interessiert, aber an der Info, ob es wirklich Bären hat. Also fuhr ich mit Sack und Pack zurück, und dies war (für mich) eine richtige Entscheidung. Der Camping war viel schöner; der Camphost beruhigte mich, dass es keine Bären hätte (er sei an einer Infoveranstaltung über die diesjährige Situation gewesen) und er wollte auch die $3.- nicht, die dieser Platz mehr kostete.
Nach dem obligaten Regen kamen die Pfannen auch wieder mal aus der Tasche.

14. Juni
Kurz nach 8 Uhr "stürzte" ich mich wieder in den Highwayverkehr. Der Shoulder war zwischenzeitlich wieder etwas dürftig. Erst als ich das enge Tal verliess, wurde es angenehmer. Vielleicht gibt es doch noch irgendwo einen Millionär, der Geld spendet, um die veraltete Eisenbahnlinie in einen Radweg umzubauen (diese Idee steht schon im Blog vom16.6.22). Dies wäre sooo ideal.
Zur Mittagszeit erreichte ich Cascade und den Cascade State Park. Beim Einkaufen traf ich Al, ein Lehrer aus Salt Lake City. Er fährt den Idaho Loop, eine Route für MTB. Diese habe ich auch schon ein paarmal angeschaut... er macht sich die Reise noch etwas anstrengender: er zieht einen Anhänger mit seinem Hund. Aufwärts renne der Hund zwar...
Dann machte ich noch einen Halt beim Ranger. Ich kam mir vor wie an einer Ausstellung: mit einem Bündel Papier mit Infos über das Gebiet verliess ich sein Office. Hätte lieber gehabt, dass er mir gesagt hätte, dass die Radroute von Google Maps nicht stimmt...anstatt auf dem Highway zum Camping zu fahren, nahm ich die Touristenroute. Erster Teil prima! 4 km Veloweg auf einer alten Eisenbahnstrecke (geht doch). Dann: Gitter, "Private Properties", Sandstrasse, Villenbesichtigungen. Tiptop!
Der Camping wunderschön und: laut Wetterbericht mal keinen Regen! JUHUI.

15. Juni
Die Ruhe auf diesem Camping faszinierte mich und es war herrlich heute morgen bei warmen Temperaturen zu frühstücken.
Weniger herrlich fand ich dann den Verkehr Richtung McCall (so à la Gotthard Autobahn Richtung Süd an Ostern). In Donnelly sah ich beim Park einen Hund, dann einen Veloanhänger und am Schluss auch noch Al. Sein Schlafsack war immer noch nicht trocken...
Laut meiner "Handykarte" sollte von hier an bis McCall ein Radweg sein. Ich fand ihn nicht....der Sheriff persönlich bestätigte mir, dass es keinen Radweg gäbe. Er überreichte mir noch seine Visitenkarte, für den Notfall. "Thank you", schaute auf den Namen "Dep" und musste mir ein Schmunzeln verkneifen.
Dann wieder auf die "Gotthardstrasse" bis McCall.
Nach dem Besuch bei der Ranger Station war ich mir sicher: ich werde diese Route wählen: Warren Wagon Road nach BURGDORF Hot Springs. Von dort dann weiter über die Forest Road 246 zum Salmon River und von dort zurück in die Zivilisation nach Riggins.
Zuerst mich noch mit einem BLT (=Bacon Lettuce Tomato Sandwich) und Caesar Salad auftanken. Ein Tischnachbar meinte: "23 Miles to Burgdorf Junction". Nach Google Maps 31 Miles. Der gute Mann vergass, dass die Signalisation "23 Miles" erst nach 8 Meilen kam....
Die Fahrt zu den Hot Springs eine "bäumige" Angelegenheit. Vor lauter Bäume kaum Sicht auf die beiden Payette Seen, den Bach hörte ich immer, sah ihn aber nicht. Hätte ich nicht gewusst, dass da noch etwas kommt, dann hätte ich gedacht, ich fahre ans Ende der Welt.
Ich wollte vor 18 Uhr dort sein, weil von da an die Pools nur noch für die "Cabin" Gäste zugänglich waren. Mir ging es vor allem darum, den Wassersack zu füllen, weil der nahegelegene Camping kein Trinkwasser hat.
Das schaffte ich auch. Schon von weitem sah ich die Dampfwolke aufsteigen. Leland, der Besitzer, beruhigte mich sogleich. "There is drinking water outside. You can use the pools like our guests. Just come through the back door. It is open 24 hours." Da man hier ab 55 Jahren "Senior" ist, gab es auch noch Vergünstigung. Was mich aber sicher beruhigte, war, als er sagte, er hätte noch keinen Bären gesehen, nur Elche, Rehe und "Sandhill Cranes".
Die Pools waren wunderbar! Jaja, schrumplige Hände....und mein improvisiertes Odlo-Badekleid bewährte sich 😉
Auf dem Jeannette Camping war ich, wie erwartet, allein. Trotz Lelands Aussage über die Bären, blieben die Taschen am Velo. Zum Glück fanden auch die Eichhörnchen meine Taschen nicht.

16. Juni
Schon beim Erwachen merkte ich, dass es sehr kalt war. So erstaunte es mich nicht, dass das Wasser im Bidon teilweise gefroren war. Selbst der Honig wollte nicht auf mein Knäckebrot. Zum Glück kochte ich gestern noch das Kaffeewasser für heute Morgen. So konnte ich meine kalten Hände etwas aufwärmen.
Nach dem Zusammenräumen musste ich noch meine Schulden begleichen. Ich hatte nur $20 Scheine bei mir und keine $10, so fuhr ich zum anderen Camping zurück. Der Camphost lobte meine Ehrlichkeit und belohnte diese mit der Bemerkung: "Just keep the money and have a safe travel!"
Zur heutigen Fahrt kann ich wieder nicht soviel schreiben, ausser: Genau nach meinem Gusto!!
Bis zum French Creek-Salmon River folgendes gesehen: Kaninchen - Murmeltier - 2 Autos - 3 Motorradfahrer - 4 ATVs - 1 verlassener Bus - 1 Lastwagen mit Propangas, bog im Niemandsland auf einen noch verlasseneren Pfad ab (Google Satellit zeigte mir, dass da wirklich noch ein Haus ist...)
Als ich den Salmon River (vor ein paar Tagen war es noch ein Bach nach Galena Summit) erreichte, hatte es wieder etwas mehr Leute. Eine wunderschöne Fahrt nach Riggins stand bevor. Zudem war es plötzlich richtig heiss!!! Was für ein Unterschied zu heute Morgen.
Meine heutige Unterkunft fand ich bei "Big Eddy", eigentlich ein Wohnwagenpark. Auf dem sattgrünen Rasenflecken durfte ich mein Zelt aufstellen. Gut für eine Nacht!!

So, das wär's für dieses Mal. Es waren sehr gute Tage für mich!!!

Liebe Grüsse aus dem sehr abwechslungsreichen Idaho

Foto’s

2 Reacties

  1. Anita:
    17 juni 2023
    Alsnog ...Happy Birthday' 🥳.
    En weer prachtige verhalen en b!eelden!
  2. Richard:
    17 juni 2023
    Hahaha een kindermenu voor een bijna 61 jarige. En dan had je een kinderontbijt op je verjaardag? Was dat met een stukje taart erbij?